Wie Hermann E. Sieger die “Ukraine Briefmarke” beschafft hat
Eine Geschichte über die berühmte ukrainische Briefmarke “Soldat zeigt russischem Kriegsschiff den Mittelfinger” und wie der Briefmarkenhändler Hermann E. Sieger aus Lorch (Württemberg, Deutschland) eine spezielle Variante davon beschafft hat.
TL;DR
Man konnte bei Hermann E. Sieger, einem renommierten deutschen Briefmarkenhändler, die bekannte und auf 500.000 Stück limitierte Briefmarke in der Version Inland (F) vorbestellen. Geliefert wurde allerdings eine personalisierte Briefmarke, die jeder bei der ukrainischen Post produzieren lassen konnte. Sie enthält den Stempel “V”. Das Motiv ist zwar identisch, aber diese Marke entspricht nicht der Sonderausgabe, welche die ukrainische Post am 12. April herausgebracht hat. Der Dienst für personalisierte Briefmarken ist nicht mehr online, dafür aber der Hinweis, dass man dieses Motiv nicht verwenden darf.
Wer ist die Hermann E. Sieger GmbH?
Laien dürfte das Unternehmen Hermann E. Sieger GmbH eher kein Begriff sein. Daher eine kurze Vorstellung.
Hermann Ernst Sieger hat am 16. Dezember 1922 den gleichnamigen Betrieb gegründet. 1930 wurde das Postmuseum Lichtenstein gegründet, für das er als Kurator maßgeblich verantwortlich war. Zum 75. Museumsjubiläum bekam er aus diesem Grund seine eigene Briefmarke samt Konterfei. Außerdem war er 1932 Gründungsmitglied der NSDAP Ortsgruppe Lorch und bis 1945 deren Ortsgruppenleiter. Er leitete unter anderem die Reichsorganisation des deutschen Briefmarkenhandels und wurde nach dem Krieg als NS-Mitläufer eingestuft.
Hermann Walter Sieger hat die Leidenschaft für Briefmarken von seinem Vater Hermann Ernst geerbt und die Firma im Laufe der Jahrzehnte zum Marktführer in Europa gemacht, so heißt es auf der Webseite. Zeitweise soll das Unternehmen über 300 Mitarbeiter*innen gehabt haben. Über 50 Mitgliedschaften und Ehrungen zählt man in seiner Biographie, darunter auch ein Bundesverdienstkreuz. Man schrieb über ihn: “Eine herausragende Persönlichkeit der Philatelie”. Am Ende des Artikels noch etwas mehr zu ihm.
Laut eigener Aussage steht die Firma seit 100 Jahren im Dienste der Briefmarkensammler und wird bereits in 3. Generation geführt, im Jahr 2022 nämlich von Sohn Günter Hermann Sieger, der — selbstverständlich — nach eigenen Angaben auf ein großes Wissen auf dem Gebiet der Philatelie verfügt.
Sieger ist international tätig, beschafft Briefmarken aus 230 Ländern und für die Echtheit aller gelieferten Briefmarken wird garantiert, und das ohne zeitliche Beschränkung, so heißt es auf der Webseite. Der Firmensitz in Lorch wird in Werbeanzeigen gerne als Briefmarkenstadt Lorch bezeichnet. In exakt 187 Tagen ist 100-jähriges Bestehen. Man erreicht das Unternehmen per E-Mail unter sieger@sieger.de und hier gibt es ein Bild der Firmenchefs.
12. April 2022
Die ukrainische Post gibt eine limitierte Briefmarke als Sonderausgabe heraus, welche mittlerweile weltberühmt sein dürfte. Ein ukrainischer Soldat, der auf der Schlangeninsel stationiert ist, zeigt dem russischen Kriegsschiff Moskwa den Mittelfinger und funkt zurück “Russisches Kriegsschiff, fick dich!”. Und so lautet nun nach einem Wettbewerb der ukrainischen Post auch der Titel dieser Briefmarke, entworfen von Boris Groh, einem ukrainischen Künstler.
14. April 2022
Die Moskwa sinkt, offenbar nach Beschuss durch ukrainische Streitkräfte. Laut Russland sank die “Moskau” wegen eines Sturms, den es nicht gab. Spätestens jetzt ist die Berichterstattung zur Briefmarke sehr präsent. Die Briefmarke erschien in der Erstausgabe als Inlandsversion (F, auf dem linken Streifen der Marke gedruckt) und als Auslandsmarke (W, rechts unten auf das Motiv gedruckt, ohne Streifen an der Marke).
Man sieht diverse Merkmale auf der Marke:
- rechts oben die Jahreszahl “2022” und das ukrainische Wappen
- rechts unten der Buchstabe “W” als Kennzeichnung als Auslandsmarke
- links oben auf ukrainisch und englisch der Name des Landes
- rechts neben dem Land steht sehr klein der Name des Künstlers des Motiv: BORIS GROH
Und hier ein Bild der Inlandsmarke “F”
Bei dieser Version ist die Anordnung der Elemente anders, aber man findet alles von der Auslandsmarke wieder. Der Name des Künstlers steht hüfthoch rechts vom Soldaten.
18. April 2022
Ich recherchiere zur ukrainischen Briefmarke und lese deutsche, englische und ukrainische Zeitungsberichte (danke Google Translate), aber schaue mich auch bei eBay und eBay Kleinanzeigen um und suche mich etwas durch das Internet. Mir gefällt das Motiv ausgesprochen gut, und ich habe vor vielen Jahren mal Briefmarken gesammelt. Ich bin angefixt.
Die Marken werden überwiegend bei eBay angeboten, für Endpreise zwischen 100 und 200 Euro das Stück. Ich bestelle 3 Bögen mit jeweils 6 Marken der Version “Ausland” (W) bei einem ukrainischen eBay Händler für 160€ pro Bogen, aus dem grenznah gelegenen ukrainischen Ort Uschhorod. Und gleichzeitig freue ich mich darüber, dass der ukrainische Anbieter damit einen ganz ordentlichen Gewinn einfahren konnte, der aktuell helfen könnte.
Via Google Anzeige wurde ich zudem aufmerksam auf den Onlineshop der Firma Sieger, welcher die andere Variante dieser Briefmarke angeboten hat, nämlich die Version Inland (F). Sie wurde angeboten für 4,50€ je Marke. Dies war im direkten Vergleich zu anderen Marken sehr günstig, wenn auch noch 3,95€ Versand dazu kamen, also 8,45€ je Bestellung, da der Shop die Briefmarke zu diesem Zeitpunkt auf eine Marke pro Bestellung limitiert hat. Dennoch sehr attraktiv, und dass auch noch über eine seriöse Quelle, von einem deutschen Briefmarkenhändler mit großer Expertise. Stand 12. Juni befindet sich die Marke nicht mehr im Sieger Onlineshop.
Ich bestelle also eine Briefmarke für mich um 21:16 Uhr im Sieger Online Shop, und eine Weitere auf den Namen meiner Frau. Die Bestellbestätigungen folgen prompt. Abgebildet ist zur Bestätigung die Version F, wenn auch der Produkttitel es nicht genau angibt. Ich freue mich also auf die Inlandsvariante, die meine Auslandsmarke gut ergänzen würde. Sofern die Marke lieferbar ist. Falls nicht — ich hatte per PayPal gezahlt — würde ich sicherlich schnell mein Geld wiederbekommen.
Laut Bestellbestätigung habe ich bestellt “Soldat zeigt russischem Kriegsschiff den Mittelfinger — Briefmarke postfrisch, Ukraine”. Das Bild in der E-Mail zeigt die Erstausgabe vom 12. April in der Variante “Inland” (F).
19. April 2022
Ein Tag später. Ich erhalte eine Status E-Mail von Sieger, da die Briefmarke derzeit nicht vorrätig ist. Nichts Neues, da mir dies bei Bestellung bereits bekannt war. Ich habe es außerdem nicht eilig. Alles Ok.
Bezeichnung, Menge und Preis des Artikels decken sich mit der Bestellbestätigung.
12. Mai 2022
Ich erhalte eine E-Mail von Günter Sieger (news@sieger.de) mit dem Betreff: Zwischeninformation zu Ihrer Online-Bestellung: Ukraine-Artikel “Soldat zeigt Mittelfinger”.
Ein paar Anmerkungen zu diesem Schreiben:
- Einleitend im ersten Satz möchte man uns über die aktuelle Situation rund um die von uns bestellte Briefmarke “Soldat zeigt dem mittlerweile versenktem russischen Schlachtschiff “Moskwa” den Mittelfinger” unterrichten. So heißt die Briefmarke zwar nicht, aber passt ja grob schon.
- Sieger hat rechtzeitig bestellt heißt es dort. Die Situation sei undurchsichtig. Man müsse bis zu 3 Wochen auf Antwort von E-Mail-Anfragen warten. Es sollen 2 Millionen Briefmarken gedruckt worden sein, sodass eigentlich ausreichend viele für den Export und damit auch Kunden von Sieger zur Verfügung stehen sollten.
- Auf wessen Antwort hat man 3 Wochen gewartet? Auf Antwort vom Postministerium selbst? Der Eindruck wird erweckt. Dabei dürfte die ukrainische Post bzw. deren Online-Shop die Bestellungen entgegen nehmen, bzw. die Postämter selbst vor Ort Marken ausgeben, und eben nach Verfügbarkeit und Ressourcen liefern.
- Die Auflage für die Variante “Inland” (F) beträgt 500.000, für die Variante “Ausland” (W) ebenfalls 500.000, also insgesamt 1.000.000, wie man bei Wikipedia nachlesen kann. Hier ist die Rede von 2 Millionen Briefmarken. Vermutlich ein Fehler, weil man davon ausging, dass die Auflage je Marke bei 1.000.000 liegt. Gemeint kann hier nur die Erstauflage sein.
- Die Einschätzung, dass diese Auflage reichen würde um den Bedarf auch im Ausland zu decken teile ich als Laie nicht. Man hat gesehen, dass viele Menschen in der Ukraine Schlange standen an den Postämtern, das internationale Interesse sehr groß zu sein schien, und außerdem liegt die Auflage ja eben bei insgesamt lediglich 1.000.000.
- Man hat offenbar nicht viel Verständnis für die Situation in der Ukraine, wenn man diesen Satz liest: “Man scheint in der Ukraine auf dem Postministerium auf Zeit zu spielen — warum auch immer”.
23. Mai 2022
Die ukrainische Post stellt eine Neuauflage in den Varianten F und W vor. Jeweils gibt es zwei Marken, einmal mit Schiff und Zusatz “DONE” (erledigt) und eine Marke ohne Schiff vor dem Soldaten, mit einem Datumszusatz “14.04.2022”. Das Datum an dem das Kriegsschiff Moskau gesunken ist
Die Inlandsmarke (F) hat eine Auflage von 3.000.000 und die Auslandsmarke (W) eine Auflage von 2.000.000, insgesamt also 5.000.000 Marken. Nachzulesen bei der Kyiv Post oder bei Wikipedia.
2. Juni 2022
Meine eBay Bestellung über die 18 Briefmarken vom Typ “Ausland” (W) vom ukrainischen Anbieter kommen bei mir an, also 3 Bögen. Die Postlaufzeit lag damit bei knapp 7 Wochen. Ich habe nichts zu beanstanden. Geliefert wie bestellt. Es gab also eine 5-Sterne Bewertung bei eBay.
9. Juni 2022
Die Bestellungen von Sieger sind bei mir angekommen. Der Zeitpunkt der Lieferung erscheint mir seltsam, da ich davon ausgegangen bin, dass sämtliche Briefmarken bereits längst verkauft worden sind. Ich bin also davon ausgegangen, dass keine Marken mehr beschafft werden konnten und die Bestellungen in Kürze storniert würden, und ich mein Geld wiederbekommen würde.
Enthalten war nun allerdings in beiden Briefen die folgende Marke mit einem “V” darunter auf dem Bogen, und nicht die oben in der Bestellbestätigung (und damals im Online Shop abgebildete) Variante “Inland” (F).
Um was für eine Marke handelt es sich hier? Auf der Briefmarke selbst befindet sich kein Aufdruck, also keine der oben aufgelisteten Merkmale. Das Stück darunter enthält das Land, das Wappen und ein “V”. Auch die Farbgebung ist im Vergleich zu den bekannten Marken anders, wenn man sie direkt vergleicht.
Der Sendung lag folgendes Schreiben bei, welches mich auf den ersten Blick sehr beeindruckte. Ein Schreiben speziell angefertigt für die Sendung dieser Briefmarke, von der Geschäftsleitung — also Günter Sieger — persönlich. So möchte man sich als Sammler natürlich gewürdigt wissen.
Das Schreiben thematisiert allerdings in keiner Weise wie die Abweichung von der bestellten Marke zustande gekommen sein könnte. Speziell das Hochformat irritiert, da hier das eigentliche Motiv des Künstlers gar nicht vollständig abgebildet werden kann.
Beim dritten Lesen zwei Stunden später soll allerdings klar sein, warum hier holprig von der “Ukraine Briefmarke” die Rede ist, und nicht der offizielle Titel der Briefmarke verwendet wurde.
Interessante Stelle im Schreiben:
Es freut mich deshalb sehr, dass ich Ihnen heute eine original Ukraine Briefmarke mit diesem weltbekannten Motiv zusenden kann — und zwar zu unserem Angebotspreis von 4,50 € pro Stück. Bitte haben Sie Verständnis, dass Nachlieferungen bzw. Nachbestellungen zu diesem Preis nicht mehr ausgeführt werden können.
Wir merken uns: “eine original Ukraine Briefmarke”. Nicht: “die bestellte Briefmarke der limitierten Sonderausgabe”.
Die beigelegte Rechnung machte einen auch nicht schlauer.
Ein Blick zu eBay und eBay Kleinanzeigen zeigte, dass an diesem Tag und auch schon ab dem 8. Juni einige ihre Briefmarken dieses Formats und dem Stempel V, offenbar von Hermann E. Sieger (teilweise sichtbares Schreiben in den Bildern der Anzeigen, teilweise im Text namentlich erwähnt als seriöser Qualitätsversender), erhalten haben und nun verkaufen möchten. Vor diesem Datum gab es bei eBay (Kleinanzeigen) nur die bekannten Versionen der Erstausgabe und der Neuauflage (“Done”), neben einigen recht eindeutig als Replikate/Nachdrucke gekennzeichneten Marken und Kühlschrankmagneten.
Ich dachte ich würde in den Anzeigen Hinweise darauf finden, um welche Marke es sich nun handelt, aber dem war nicht so. Es gab dazu bei keiner Anzeige Angaben. Lediglich “V” oder “Stempel V” wurde erwähnt.
Also war ich weiterhin auf der Suche wie diese “V” Marke einzuordnen ist.
Da der Onlineshop und die Briefmarkendatenbank der ukrainischen Post zum Zeitpunkt des Schreibens nicht erreichbar sind, hier als Ersatz die Wikipedia Artikel zur Briefmarke in deutsch, englisch und ukrainisch.
Der ukrainische Wikipedia Artikel enthält Infos und Bilder zur Erstausgabe vom 12. April, aber auch Daten und Bilder zur Neuauflage vom 23. Mai. Keine der dort abgebildeten Marken sieht aus wie die Marke, die ich nun erhalten habe. Keine dieser Marken trägt ein “V”. Keine dieser Marken ist im Hochformat. Und keine dieser Marken enthält keinerlei Text oder Symbole auf dem Motiv, wie die nun von Sieger erhaltene Marke.
Die Katalognummern der 4 Marken sind übrigens fortlaufend, also scheinbar wurde dazwischen keine weitere Marke veröffentlicht.
Auf der Facebook Seite der ukrainischen Post und auf deren Instagram Präsenz zeigen sämtliche Beiträge zu diesen Marken nur die bei Wikipedia gefundenen Briefmarken. Nicht aber diese Briefmarke von Sieger.
Ich habe also erstmal bei einigen eBay Kleinanzeigen Verkäufer*innen angefragt um welche Variante es sich hier handelt und welche Auflage diese haben soll. Ich bin davon ausgegangen, dass ich einfach nicht auf dem aktuellen Kenntnisstand bin. Allerdings wusste niemand auf meine Frage eine Antwort, manche haben sich das selbst schon gefragt oder auch bereits einige Fragen dazu erhalten. Es gab nur schwammige Aussagen darüber, ob es nun eine Inlandsmarke oder Auslandsmarke ist, oder welche Auflage sie hat.
Statement von Hermann E. Sieger
Eine Nachfrage meinerseits per E-Mail vom 10. Juni (Freitag) 21:35 Uhr wurde seitens Sieger am 13. Juni (Montag) um 10:13 Uhr wie folgt beantwortet. Das gleiche Schreiben ging auch schon in den vergangenen Tagen an verschiedene Kunden, die nachgefragt haben, wie meine Unterhaltungen mit eBay Kleinanzeigen Verkäufern gezeigt haben.
Sehr geehrter Herr Lieser,
sicher haben Sie recht, die gelieferte Briefmarke entspricht — was die Abbildung angeht — nicht ganz den seinerzeit im Internet präsentierten Entwürfen. Das liegt daran, dass es in der Ukraine von dieser Briefmarke unzählige Varianten gibt:
Eine querformatige Marke mit der Nennwertangabe „F“ für Inlandspost und „W“ für Auslandspost, die sich zudem noch in der Größe unterscheiden.
Dann gibt es beide Marken noch in einem Block, enthaltend dreimal die selbe Briefmarke, allerdings ohne das russische Kriegsschiff im Hintergrund — dies befindet sich lediglich auf den drei Zierfeldern des Blocks mit dem Aufdruck „Done“ was so viel bedeutet wie „Erledigt“, also versenkt! Auch diese Briefmarke gibt es in den beiden Nennwertvarianten für In- und Auslandspost. Beide waren hoch spekuliert, Bestellungen ins Ausland wurden nicht und wenn überhaupt nur in kleinsten Mengen ausgeführt, da das Interesse im Land selbst einfach überwältigend war.Sicher sind einige Exemplare ins Ausland gelangt, in der Regel von Personen, die es gewagt haben, über die polnische Grenze zu gehen und die in der Nähe liegenden ukrainischen Postämter abzuklappern. Teilweise aber auch von Sammlern mit Freunden, die in den vom russischen Angriff bisher verschonten Städten wohnen und Briefmarken dann eben in Kleinstmengen ins Ausland geschickt haben.
Es gibt also unzählige Varianten und nunmehr auch eine Dritte: Jene Marke, die wir Ihnen geliefert haben und die aus dem Programm „Individualisierte Briefmarken“ stammt, und — ganz wichtig — ebenfalls dieses einzigartige Briefmarkenmotiv zeigt. Auch von dieser Marke gibt es drei verschiedene Varianten: Einen normalen Schalterbogen, der aber kurz nach Erscheinen vergriffen war sowie einen Kleinbogen mit 9 Briefmarken und einen Block mit 6 Briefmarken — warum es diese beiden Varianten gibt, entzieht sich unserer Kenntnis, da die Markenbilder gleich sind. Aus diesen Beständen stammt die gelieferte Briefmarke.
Wenn Sie unser Exemplar nicht wollen — wir nehmen es gerne zur Gutschrift zurück, denn die Nachfrage ist groß und Nachbeschaffungen aus der Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt so gut wie unmöglich.
Das sind die bis heute vorliegenden Informationen, wobei nicht auszuschließen ist, dass noch andere Varianten oder Druckauflagen auftauchen. Wir bleiben am Ball, denn das ist unser Beruf und werden, sobald es irgendwelche Neuigkeiten gibt, diese auf unserer Homepage veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Svenja Wolf
Hermann E. Sieger GmbH
Am Venusberg 32–34
D-73545 Lorch
Ok. Wir merken uns “individualisierte Briefmarken” und lesen dieses Statement später einfach noch mal. Es wird außerdem eingeräumt, dass diese Marke von dem bestellten Artikel abweicht, von den damals im Shop präsentierten Entwürfen. Nur war dies zu diesem Zeitpunkt kein “Entwurf” einer Marke, der noch nicht final war und noch hätte abgenommen werden müssen. Es war die finale Abbildung der Sonderausgabe. Außerdem sollen wir uns offenbar merken, dass die Menge an Variationen wohl sehr undurchsichtig sein soll und die Ukraine hier eine schlechte Kommunikation betreibt. So ist es zu verstehen, dass wohl selbst der Experte unter den Briefmarken nicht mehr durchblickt. Ob das eine gute Strategie ist als jemand, der sich mit Briefmarken eigentlich sehr gut auskennt, wage ich zu bezweifeln. Außerdem habe ich bereits dargelegt, dass der Überblick über die verschiedenen Marken nicht so leicht verloren gehen sollte. Ich vermute es gibt Briefmarken, bei denen es sehr viel mehr Variationen und Tücken gibt als bei dieser.
Meine Rückfragen zu diesem Statement, welche ich Frau Wolf um 11:41 Uhr telefonisch stellen wollte, musste ich per E-Mail senden, da Frau Wolf laut einer Kollegin bereits das Haus verlassen hat. Ein Update folgt.
Ich habe geschaut ob es im Blog von Sieger Infos dazu gab in den letzten zwei Monaten. Dem ist nicht so.
Das von Sieger dem Brief beigelegte Schreiben wird trotz der seltsam verklausulierten Aussagen als Echtheitszertifikat bei anderen Käufern wahrgenommen, wie ich bei mehreren eBay Kleinanzeigen Angeboten feststellen musste. Dies macht ja auch grundsätzlich Sinn. Man bestellt bei einem vertrauenswürdigen Briefmarkenhändler und bekommt was man erwartet. Sollte man meinen.
So schreiben z.B. Verkäufer*innen in ihren Anzeigen:
Die renommierte Firma Hermann E. Sieger aus Lorch/ Württemberg, hat sie laut eigenem Schreiben , selbst von der Ukrainisch /Polnischen Grenze besorgt.
Sie kaufen hier eine, originale, Briefmarke der limitieren Serie. Die Serie ist mittlerweile offiziell ausverkauft. Ein MUSS für jeden Sammler. Auch als Wertanlage.
Original Briefmarke. Russian warship go f*ck yourself.
Original, keine Reproduktion oder sonst was.
Ukraine Soldat Briefmarke Mittelfinger vor Kriegsschiff Rar, heute erhalten
Original Ukrainische Sammler Briefmarke. Druckfrisch vom Ukrainischen Postamt.
Verkaufe diese neue unbenutzte Briefmarke aus der Ukraine. Die Geschichte hinter diesem Motiv und die limitierte Auflage der Marke brauch ich wohl nicht zu erwähnen.
Ich verkaufe diese selten originale Briefmarke aus der Ukraine mit einem Echtheitsbrief vom Lieferanten.
Verkaufe 1 seltene und im Wert stark steigende Briefmarke zum aktuellen Anlass des Krieges!
Die Briefmarke ist ein Original und postfrisch! Die Briefmarken sind limitiert und rar.
Sie kaufen hier eine, originale, Briefmarke der limitieren Serie.
Ich versichere, dass es eine echte, originale Briefmarke der ukrainische Post ist und keine der, mittlerweile, vielen Fälschungen.
Rückfrage bei einer Verkäuferin:
Ca. 50–60 Marken gab es bei eBay Kleinanzeigen Stand 10. Juni im Hochformat, offenbar alle von Sieger, und die ersten wurden eingestellt ab dem 8. Juni 2022. An diesem Tag sind wohl die ersten Marken bei den Kunden angekommen.
Man darf den Eindruck gewinnen, dass alle Verkäufer*innen Sieger a) vertraut haben und b) aus diesem Grund davon ausgehen, dass es sich um eine limitierte Originalmarke der Erstausgabe handelt.
Auch bei eBay werden Dutzende der Marken angeboten.
Sie bieten auf eine 100% Original Briefmarke. (…) Die Briefmarke w. (…) Laut Ihor Smeljansky von der ukrainischen Post war die Briefmarke am 15. April in Kiew ausverkauft.
Ganz neue Sonder Briefmarke zum Ukraine Krieg 2022
UKRAINE Briefmarke V Moskwa , RUSSISCHES KRIEGSSCHIFF / Soldat mit MITTELFINGER , ECHT , KEINE REPRODUKTION !!!!! (…) GARANTIERT ECHT UND KEINE REPRODUKTION. ABSOLUTES SAMMLERSTÜCK.
briefmarken ukraine kriegsschiff. Russisan warship.go f*yourself. Habe nur eine wohl bald unbezahlbar
Die Briefmarke ist extrem schwer zu bekommen und ich würde sie gerne teilen, da jeder eine solche haben soll! Sie ist postfrisch und in einem Top-Zustand! Sie ist zudem limitiert und demnach nur in begrenzter Stückzahl erhältlich.
Hier sei nochmal gesagt, es handelt sich um eine echte, originale. Briefmarke aus der Ukraine (ukrposhta) ERSTAUSGABE
Google Bewertungen
Ich habe mich gefragt ob es Bewertungen zu Sieger gibt und ob man dort etwas zur aktuellen Briefmarke findet. Die 31 Google Bewertungen mit durchschnittlich 2,9 Sternen lesen sich nicht sonderlich gut, aber aktuelle Hinweise haben sich dort keine gefunden.
Update 13.06. 16:55 Uhr
Es gab doch schon 3 Google Bewertungen zur Ukraine Marke, die ich übersehen hatte aufgrund der seltsamen Sortierung der Rezensionen. Einer war sehr zufrieden mit der Lieferung (5 Sterne). Einer beschwerte sich über die Reduktion der bestellten Stückzahl (1 statt 8, evtl. die Sonderausgabe?, 1 Stern) und eine 1-Stern Bewertung, die den Vorwurf der nachgemachten Briefmarke erhebt, da die Marke “weder in Form noch Wert dem Original entspricht”. Eine Gutschrift soll es lt. Sieger wohl nur über den Artikelpreis geben, nicht über die Versandkosten, woraufhin nicht mehr reagiert wurde.
Also: Was soll das nun alles?
Besucht man die englische Website der ukrainischen Post findet man dort unter Philately eine recht große Werbefläche für personalisierte Briefmarken. Also Briefmarken, die sich jeder dort selbst bestellen kann. Vielleicht nicht ins Ausland, aber zumindest innerhalb der Ukraine. Sowas gibt es übrigens auch bei der Deutschen Post.
Diese Marken werden offenbar ausschließlich im Hochformat angeboten und enthalten immer den Stempel “V” am Bogen. Das Beispiel zeigt wie man sie wohl normalerweise verwenden würde, als Briefmarke mit persönlichen Bildern.
Klickt man auf “Order” erscheint aktuell nur eine weiße Seite mit dem Hinweis “Der Dienst ist vorübergehend nicht verfügbar”. Hier geht derzeit also nichts mehr. Wie lange das schon so ist, ist unklar.
Die Seite enthält allerdings weitere Informationen über personalisierte Briefmarken, so z.B. den folgenden Hinweis:
Dear customers! Please note that Ukrposhta does not accept orders for the production of postage stamps and envelopes under the project “Personalized stamp” with a draft of the postage stamp “Russian warship, go … !”.
Thank you for understanding.
D.h. stand 10. Juni werden keine individuellen Briefmarken mit diesem bekannten Motiv durch die Post gestattet. Dies ist natürlich nicht verwunderlich, da es dazu eine offizielle und limitierte Marke der ukrainischen Post gibt, und spätestens beim Wiederverkauf das Urheberrecht des Künstlers Boris Groh verletzt sein dürfte. Der Dienst wird damit beworben eigene Fotos zu verwenden und es dürfte klar sein, dass dieser Dienst nicht dazu genutzt werden sollte, um offizielle Marken der ukrainischen Post zu imitieren und dann auch noch gewerblich weiterzuverkaufen.
Weiter heißt es auf der Seite:
Personalized postal products may not depict the following statements or images:
- of a political nature;
- which contradict ethical norms, Law of Ukraine;
Und hat nun ausgerechnet ein 100 Jahre alter und renommierter Briefmarkenhändler aus Deutschland diesen Dienst genutzt, um damit doch noch verklausuliert “original ukrainische Briefmarken” mit diesem Motiv liefern zu können?
Zweifelsfrei kommen diese Marken über diesen Service von der ukrainischen Post, daher sind es grundsätzlich “Original”-Marken. Sie haben nur nichts mit der von der ukrainischen Post herausgegebenen und limitierten Sonderausgabe zu tun.
Diese Marken hier konnte jeder, so oft er wollte, so lange es eben möglich war, bei der ukrainischen Post für wenig Geld beauftragen. Vielleicht benötigte man etwas Glück, oder auch Kontakte in der aktuellen Zeit, um dies möglich zu machen durch Inlandsversand, aber mehr ist diese Briefmarke eben nicht.
Die Kosten für individualisierte Marken liegen übrigens für 6 Briefmarken bei 250 UAH (8,04€), für 9 Briefmarken bei 270 UAH (8,69€) und für 28 Briefmarken bei 480 UAH (15,44€), also lediglich 55 Cent je Marke.
Die verschiedenen Formate und Bögen sind in der Tabelle gut erkennbar. Darüber hat sich Sieger übrigens im Statement auf die Nutzerfrage gewundert, wie dies Zustande kommt. Es ist einfach ganz normal. Das kann man genau so bei der ukrainischen Post bestellen in diesen verschiedenen Varianten, wie man sieht.
Ebenfalls hat Sieger im Statement geschrieben, dass der normale Schalterbogen kurz nach Erscheinen vergriffen war. Wie muss man das verstehen? Die individuellen Briefmarken wurden ja auf individuellen Wunsch hin gedruckt und sind daher praktisch nie vergriffen, es sei denn der Dienst wurde eingestellt oder einzelne Produkte konnten zeitweise nicht hergestellt werden. Aber mit einer klassischen Auflage, die irgendwann ausverkauft ist, hat dieses “vergriffen” wohl eher nichts zu tun.
Auf Rückfrage zur Auflage an Sieger haben einige Kunden die Nachricht erhalten die Auflage sei Sieger nicht bekannt. Aber ich vermute mal stark, Sieger weiß schon wie viele Bögen und Marken sie dort haben produzieren lassen, oder wenigstens eingekauft haben. Vielleicht hätte dann aber 5.000 Briefmarken (beliebiger Schätzwert) doch zu gut geklungen um wahr zu sein, wenn die anderen Auflagen im Bereich 500.000 aufwärts liegen.
Wie sieht so etwas aus?
So sieht es aus, wenn die ukrainische Post einem individualisierte Briefmarken auf Wunsch produziert und zusendet. In diesem Fall ein Bogen mit 9 Marken und dem Stempel V, für 270 UAH, also umgerechnet 0,97€ je Marke. Links in groß nochmal das hochgeladene Motiv, im Hintergrund ebenfalls — verschwommen. Wie so vieles in dieser Geschichte.
Gefunden bei eBay, angeboten von einem offenbar privaten Anbieter aus der Ukraine, mit Versand aus der Ukraine. Es wird dort nicht der Eindruck erweckt, dass es dich dabei um die offizielle und limitierte Sonderausgabe der ukrainischen Post handelt.
Sucht man bei eBay nach “ukraine stamp personalised” findet man einige dieser personalisierten Briefmarken, überwiegend angeboten von Verkäufern mit Versand aus der Ukraine oder der Slowakei. Die Marken werden z.B. in dieser Anzeige verkauft, um Geld einzunehmen, welches man dann zur Unterstützung der Soldaten verwenden kann, indem man Diesel Trucks kauft.
Wofür das “V” steht ist mir noch nicht bekannt. Es bedeutet aber, dass diese Marke für Inlandspost verwendet werden kann, ebenso wie Marken mit dem Aufdruck “F”. Ich schätze also, man muss die Marke mit diesem Zusatz aufkleben, damit Post erfolgreich zugestellt wird. Ein paar Verkäufer*innen können sich vorstellen, dass “V” für “Victory” steht. Ich glaube das nicht, da das “V” sicher schon vor Kriegsbeginn für personalisierte Marken verwendet wurde.
Wer verliert hier?
Erstmal die Kundschaft, weil sie davon ausgehen darf die bei Bestellung beschriebene Briefmarke zu erhalten, oder alternativ eine gleichwertige Briefmarke vom Experten Sieger, sofern die ursprüngliche Marke nicht erhältlich ist. Nur ist diese Version natürlich nicht gleichwertig. Der Wert dieser Marke dürfte nach meiner Laienmeinung sehr niedrig sein. Von dem Gedanken einer möglichen Wertsteigerung sollte man sich bei dieser Marke wohl verabschieden. Oder habe ich unrecht und die verhältnismäßig wenigen Briefmarken mit diesem Motiv in diesem Format — die “Sieger Ausgabe” — wird später erst recht wertvoll sein?
Außerdem hätte ich erwartet, dass mich Sieger über Abweichungen von der Bestellung jeglicher Art explizit aufklärt. Dies ist nicht geschehen. Insofern verliere ich Vertrauen in etablierte Onlineshops, die eigentlich Experten sind.
Und nun werden diese Briefmarken logischerweise auch auf dem Sekundärmarkt angeboten, für ca. 10 bis 100 Euro wird es zumindest versucht. Für welche Preise diese Marken tatsächlich weiterveräußert werden bleibt abzuwarten. Der Verlust für diese Gruppe dürfte dann entsprechend größer sein.
Der Künstlers des Motiv dürfte für diesen Druck wohl auch nicht entschädigt worden sein, und auch die ukrainische Post bekommt vielleicht ein Image-Problem, wenn plötzlich über einen posteigenen Dienst — der dafür nicht vorgesehen war — zusätzliche Briefmarken mit dem bekannten Motiv auftauchen.
Sieger wollte es sich offenbar nicht nehmen lassen bei dieser sehr bekannten und begehrten Briefmarke mitzumischen. Vielleicht hat man auf einige Neukunden gehofft, die darüber die Liebe zur Briefmarkensammelei finden, und damit auch zu Sieger. Das investierte Geld in Google Anzeigen sollte wohl nicht umsonst gewesen sein. Und die vermutlich Hunderte Bestellungen, sollten nicht alle storniert werden müssen. Sieger will liefern! Aber wie? So!
4,50€ hat die bestellte Briefmarke bei Sieger im Shop gekostet, zzgl. 3,95€ Versand. Sieger hat den Briefumschlag, den ich erhalten habe, übrigens mit einer 100 Cent Briefmarke frankiert - ein nassklebender Zweimaster. Ich frage mich wo die Reise für Hermann Sieger hingeht, und ob etwas kleben bleibt.
Verständnis?!
Ich habe großes Verständnis für alle Behörden, Unternehmen und Menschen in der Ukraine, die zum einen nicht wie gewohnt arbeiten und leben können und um dieses fürchten müssen. Und ich hätte unter diesen Umständen auch Verständnis, wenn man mit vielleicht fragwürdigen Mitteln an Geld kommen muss.
Hätte ich also Verständnis gehabt, wenn der ukrainische eBay Verkäufer nicht schnell geliefert hätte, falsch geliefert hätte, die Sendung nicht angekommen wäre? Ja. Das Land befindet sich im Krieg!
Kein Verständnis jedoch habe ich für die Hermann E. Sieger GmbH. Ein deutsches Unternehmen, welches Profit mit der Marke erwirtschaften wollte —auf Kosten der Kunden und letztlich auch der eigenen Glaubwürdigkeit.
Aber bei Sieger wusste man schon immer wie man ein Stück vom Kuchen abbekommt. Hermann Walter Sieger hatte damals die Idee 100 Briefumschläge mit auf die Apollo 15 Mondmission zu geben, um sie dann nach der Landung gewinnbringend verkaufen zu können — für einen durchschnittlichen Preis von 4.850 DM. Es wurde wohl vorab vereinbart, diese Marken erst zu verkaufen, wenn das Apollo-Programm abgeschlossen ist, wohl damit die Astronauten keine Schwierigkeiten bekommen. Im November 1971 waren 99 von 100 Umschlägen verkauft. Das Apollo-Programm endete mit der Landung von Apollo 17 im Dezember 1972.
Es bleiben Fragen offen:
- Die vielleicht spannendste Frage: Dachte Günter Sieger beim Versand dieser Marken wirklich, dass diese Sache nicht auffallen wird? Spätestens dann, wenn viele dieser Marken auf dem Sekundärmarkt landen und dort Fragen aufwerfen? Spätestens dann, wenn man sich das beigelegte Schreiben und das an manche gesendete Statement genauer durchliest? Hat man hier nicht befürchtet, die durchschnittliche Google Bewertung noch weiter zu drücken. Kann man sich im Briefmarken-Business alles erlauben?
- Hat Sieger die individuellen Briefmarken direkt bei der Post bestellt oder über einen Mittelsmann? Woher kam die Druckdatei für die Produktion der individualisierten Briefmarke?
- Wie viele Marken hat Sieger für den Eigenbedarf bestellt? Hofft man auf langfristige Wertsteigerung dieser speziellen “Sieger Ausgabe”?
- Wurde das Urheberrecht von Boris Groh verletzt oder hat er seine Erlaubnis erteilt für diesen individuellen Druck mit gewerblichem Weiterverkauf? Oder hätte auch die ukrainische Post das Recht einräumen müssen, oder hat sie es eingeräumt?
- Wie viele dieser Bestellungen und Auslieferungen gab es bei Sieger? Wenn selbst in 3 Tagen bei eBay Kleinanzeigen ca. 60 Anzeigen geschaltet werden und damit den Suchbegriff “ukraine briefmarke” zu einem großen Teil einnehmen, wie viele dieser Marken wurden von Sieger wohl versendet? Auch bei eBay gibt es derzeit dutzende Angebote dieser Briefmarke.
- Hat sich Sieger in anderen Fällen von Briefmarken, die nicht beschafft werden konnten, schon ähnlich verhalten?
- Hat sich die maximale Bestellmenge je Lieferung bei Sieger nach oder vor meiner am 18.04. getätigten Bestellung geändert? Man findet mitunter halbe oder ganze Bögen von Marken bei eBay, die noch aneinander hängen. Offenbar konnten also zu anderen Zeitpunkten auch mehrere Marken in einer Bestellung bestellt werden. Vielleicht auch zu einem anderen Preis? Womöglich teurer?
- Ist der Individualisierungsdienst der ukrainischen Post derzeit nur abgeschaltet, um sicherzustellen, dass dieses eine Motiv darüber nicht weiter produziert und in Umlauf gebracht werden kann, weil dieser Service entgegen der Bestimmungen genutzt wurde?
- Müsste man die Anzeigen bei eBay und eBay Kleinanzeigen als Fälschung melden, auch weil die Marken häufig als “Sonderausgabe” und “limitiert” beschrieben werden?
- Sollte man die Sache zur Anzeige bringen, weil es sich um Betrug handelt?
Der Artikel wird fortlaufend aktualisiert.
Veröffentlicht am: 13. Juni 2022, 13:33 Uhr
Hinweise und Meinungen dürfen gerne in die Kommentare, oder auch per E-Mail an reports@mlieser.de gesendet werden. Vielen Dank.
Update vom 15. Juni 2022, 3:10 Uhr
Viele Verkäufer, mit denen ich bei eBay Kleinanzeigen in Kontakt stehe, fragen sich verständlicherweise, wie sie die Briefmarke beim Verkauf nun nennen können ohne falsche Angaben zu machen.
Ich persönlich würde folgende Umschreibungen NICHT nutzen, entweder weil sie falsch sind, oder falsche Hoffnungen machen:
Sonderausgabe, limitiert, Original, Sammlerstück, garantiert echt
Die limitierte Sonderausgabe hat ja einen offiziellen Titel, nämlich auf deutsch in etwa: “Russisches Kriegsschiff, fick dich! Ehre der Ukraine”
Nennen würde ich sie dagegen so:
Ukrainische personalisierte Briefmarke mit dem Motiv “Soldat zeigt russischem Kriegsschiff den Mittelfinger”
Es wäre aber auch ohne den Begriff “personalisiert” meiner Meinung nach ok, nur gibt man damit explizit an, wie sie entstanden und einzuordnen ist.
Update vom 21. Juni 2022, 16:40 Uhr
Die folgende Nachfragen habe ich am 13. Juni um 13:26 Uhr an Frau Wolf (Sieger) gesendet, nachdem ich sie telefonisch nicht erreichen konnte. Sie beziehen sich auf das Statement von Sieger, welches offenbar sehr viele Kunden identisch erhalten haben, sobald eine Rückfrage zur Briefmarke einging. Doch auch nach zweimaliger Nachfrage (15.6., 20.6.) blieben diese Fragen leider unbeantwortet.
1) Wenn ich es richtig verstehe, wurden individuelle Briefmarken mit diesem Motiv bei der ukrainischen Post in Auftrag gegeben und die zugesendeten Marken kommen aus dieser Lieferung? Ich nehme an, dass dieser Dienst verwendet wurde: https://www.ukrposhta.ua/en/vlasna-marka Ist das korrekt?
2) Falls zutreffend, so hätte doch jeder dort diese Briefmarken bestellen können, oder? So wie auch bei der Deutschen Post ein Dienst für personalisierte Briefmarken existiert. Ist das zutreffend?
3) Wurde für diesen Druck das Einverständnis der ukrainischen Post und/oder des Künstlers Boris Groh eingeholt? Derzeit erscheint auf der Website zur Personalisierung der Hinweis, dass dieses bekannte Motiv darüber nicht in Auftrag gegeben werden darf.
4) Finden Sie es richtig die Briefmarken dort zu bestellen und ihren Kunden, die eine limitierte Sonderausgabe bestellt haben, zuzusenden? Vor allem ohne explizit darauf hinzuweisen, um was für eine Art Marke es sich hier handelt.
Update vom 21. Juni 2022, 17:30 Uhr
Ein paar beliebte Fragen zur “V”-Briefmarke und meine persönlichen Antworten, ohne Gewähr und rechtliche Abklärung.
Ist die “V”-Marke die von der ukrainischen Post offiziell vorgestellte limitierte Sonderausgabe?
Nein. Sie ist eine individuell bestellte personalisierte Briefmarke der ukrainischen Post mit einem Wunschmotiv. Das Motiv der Marke entspricht der limitierten Sonderausgabe, und verstößt damit vermutlich gegen das Urheberrecht.
Ist die “V”-Marke eine Fälschung?
Nein. Sie versucht die limitierte Sonderausgabe nicht zu imitieren. Sie sieht offensichtlich anders aus und sehr viele Käufer hatten spontan fragen zu dieser Marke. Eine Fälschung würde wohl den Versuch unternehmen so auszusehen, wie die limitierte Sonderausgabe.
Ist die “V”-Marke original?
Jein. Die Duden Definition für “original” lautet wie folgt: im Hinblick auf Beschaffenheit, Ursprung oder Herkunft echt und unverfälscht; nicht imitiert, nachgemacht
Es handelt sich ohne Zweifel um eine Briefmarke der ukrainischen Post. Insofern ist es eine original ukrainische Briefmarke. Die Erwartungshaltung bei den meisten Käufern dürfte allerdings sein, die offizielle limitierte Sonderausgabe der ukrainischen Post zu erhalten, insofern würde ich vom Begriff “original” absehen beim Verkauf, da sie hinsichtlich Beschaffenheit etc. von dieser abweicht.
Ist die “V”-Marke limitiert?
Jein. Sie ist nicht limitiert in dem Sinne, dass die ukrainische Post eine bestimmte vorab definierte Auflage davon herausgegeben hat. Die Varianten “F” und “W” der Erstausgabe gibt es z.B. jeweils 500.000 mal.
Die “Auflage” dieser “V” Marke ist unbekannt, oder zumindest aus einer möglichen Sieger Bestellung eben nur Sieger bekannt. Und da auch andere Verkäufer in der Ukraine oder Slowakei personalisierte Briefmarken mit diesem Motiv bestellt haben und verkaufen ist nicht bekannt, wie viele Marken davon auf dem Markt sind. Insofern hat Sieger auch mit der Aussage nicht unrecht, wenn sie von “unzähligen Varianten auf dem Markt” schreiben, natürlich nur bezogen auf individuell bestellte personalisierte Marken. Denn jede Bestellung mit diesem Motiv dürfte leicht anders sein, z.B. bezüglich Beschnitt, Farbgebung, Qualität allgemein, u.s.w.
Kann ich die Briefmarke an Sieger zurücksenden?
Ja. Wie mir zugetragen wurde vertritt Sieger offenbar den Standpunkt, dass gar kein Kaufvertrag zustande kam. Aus dem Grund, weil lt. deren AGB dieser erst mit Zusendung der bestellten Ware zustande kommt. Diese Briefmarke weicht allerdings von der Bestellung ab. Insofern sollte man jederzeit (auch über das 14-tägige Rückgaberecht hinaus) die Briefmarke zurücksenden können. Den kompletten gezahlten Betrag inkl. Versandkosten sollte man daher erstattet bekommen. Ein Retourenlabel für den möglicherweise geforderten Rückversand sollte Sieger ebenso kostenfrei bereitstellen.
Kann ich auf eine korrekte Lieferung der Marke “F” bestehen?
Man kann es versuchen, aber Sieger hat daran natürlich kein Interesse, da die “F”-Marke aktuell nur über dem erzielten Verkaufspreis der “V”-Marke zu beschaffen sein dürfte. Rechtlich kann ich das nicht bewerten, fände eine Beurteilung aber interessant.
Mögliche Fragen dabei:
- Kam doch ein Kaufvertrag zustande, eben durch Zusendung der Ware, egal ob korrekt oder nicht?
- Kann Sieger den Kaufvertrag dann anfechten oder liegt ein ordentlicher Selbstbelieferungsvorbehalt vor?